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Anno dazumal - Eis und Gefrorenes in einem Kochbuch aus dem Jahr 1901

Letztens hatte Jan vom Küchen Atlas Blog wieder zu einer sehr schönen Aktion aufgerufen. Im Regelfall gibt es dort auf dem Blog Blogparaden in Verbindung mit einer Preisverlosung an die Teilnehmer der Aktion. Dieses mal aber gibt es die Gelegenheit indirekt an der Restaurierung eines Kochbuchs aus dem Jahr 1578 beizutragen. Pro eingereichtem und akzeptierten Blogbeitrag zu dieser Parade spendet Küchen Atlas 10€ für die Instandsetzung dieses historischen Schatzes. Gesamt wären 660€ nötig. Somit müssten also lediglich 66 Beiträge zusammen kommen. Das sollte doch zu schaffen sein, oder?

Ich nutze die Gelegenheit heute um euch eine meiner Reprints vorzustellen.

Neben dem Kräuterbuch von Leonard Fuchs aus dem Jahr 1543 (Taschen verlag) befindet sich auch das Große illustrierte Kochbuch aus dem Jahr 1901, herausgegeben von dem Institut für Literatur und Volksbelehrung in Berlin und vor einigen Jahren nun durch den Salzwasser Verlag neu abgedruckt, in meinem Besitz, um gleich meine beiden Lieblinge zu nennen. Das Kräuterbuch hatte ich mir damals in der Ulmer Stadtbibliothek erstanden und das Kochbuch hatte ich in einem sehr kleinen Buchladen, ebenfalls vor ein paar Jahren, gefunden.

Großes Illustriertes Kochbuch, Reprint des Originals von 1901, Salzwasser Verlag
Ich nehme diese Blogparadenaktion zum Anlass mal einen genaueren Blick in das Kochbuch zu werfen, was die Eismacherei angeht.
Ehrlich gesagt bin ich bisher gar nicht auf die Idee gekommen, dass in dem Buch auch Eisrezepturen enthalten sein könnten. Auch wenn ich das Buch bereits einige Jahre besitze, bei 2064 Rezepturen und Varianten aus allen möglichen Bereichen, kann einem so etwas durchaus durch die Lappen gehen.
Tatsächlich verwende ich dieses Buch nicht zum Kochen. Vielleicht sollte ich das einmal versuchen, bisher ist es aber für mich lediglich ein sehr pfleglich behandeltes Sammlungs-Stück.

Ganze fünf Seiten werden dem Thema Eis oder Gefrorenes im 22. Kapitel "Kalte süße Speisen" gewidmet. Darunter sind auch kleine Illustrationen der damals üblichen Eismaschinen, diverse Eisformen und Eiskreationen zu entdecken. Nach einer kleinen Einführung erwarteten den Leser 23 feine Eisrezepte, die man heute tatsächlich auch noch so nachmachen könnte.
Die Eismaschinen von damals bestanden zumeist aus einem größerem Behältnis. Darin befand sich dann der eigentliche Eiskegel der mit Eis und Salz umgeben wurde. Ein schlichter Mechanismus über eine Kurbel erlaubte es die Eismasse im Eiskegel umzurühren, damit das Ergebnis eine schöne Konsistenz bekommt.
Auch gab es damals sehr kunstvolle Eisformen aus Holz oder aus Metall. In diese wurde das fertige Eis hineingestrichen, die Form wurde fest verschlossen und eine Weile in einer Eis-Salz-Mischung gekühlt. Im Anschluss wurde diese fertige Eisskulptur dann auf einen Servierteller platziert.


In der dortigen Einführung in das Thema wird übrigens auch bereits schon zu der Anschaffung einer Eismaschine geraten. Es heißt dort:
Wer öfters Veranlassung und Gelegenheit hat, Gefrorenes herzustellen, der tut gut, sich eine Eismaschine [..] anzuschaffen, [..].
(Ich habe mir erlaubt die Rechtschreibung unserem heutigen Stand anzupassen.)
S. 481, Großes illustriertes Kochbuch für den einfachen bürgerlichen und den feineren Tisch, Berlin Institut für Literatur und Volksbelehrung 1901 (Reprint des Originals von 1991 in 2012 in 1. Auflage, Salzwasser Verlag)

War die Investition in eine Eismaschine nicht zu stemmen, so wurde von den Autoren zu einer Eisbüchse geraten mit einer "Handhabe" zum Drehen. Solche aus Zinn oder Kupfer waren scheinbar eher zu empfehlen, als solche aus Blei da sonst "das Eis zu fest gefriert."
Eigentlich könnte sich der geneigte Bastler durch die Beschreibung in diesem Buch eine Eismaschine nach dieser Art selbst zusammen bauen. All zu schwer scheint mir der Aufbau nicht gewesen zu sein.

Die engagierten Eismacher hatten damals Anfang des 20. Jahrhunderts sicherlich mit noch mehr Problemen zu kämpfen als wir das mittlerweile mit unserer Eispanscherei daheim tun. Ein Hoch auf den technischen Fortschritt, der uns unter anderem die fast vollautomatischen Eismaschinen mit aktiver und passiver Kühlung beschert hat.


Wie vorhin schon erwähnt sind in diesem Abschnitt 23 Eisrezepte enthalten, die wirklich sehr schön abwechslungsreich sind. Von Ananas- und diversen Fruchteisen über Vanille-, Schokolade-, Nuss- und Kaffeeeis, bis hin zu Klassikern wie dem Früst Pückler-Eis, Tutti-Frutti Eis und Eisbaisers. Damit war man damals sicherlich sehr gut ausgestattet.
Die Rezepturen unterscheiden sich nicht wesentlich von den heutigen Rezepten. So wird für ein Apfelsinen- oder Pomeranzen der Saft von zwei Zitronen und vier Apfelsinen, sowie die abgeriebene Schale einer Apfelsine , ein Pfund Zucker und ein halber Liter Wasser und zuletzt der Eischnee von zwei Eiklaren verwendet. Wobei aus den Zitrusfrüchten mit dem Zucker und dem Wasser eine Art Sirup gekocht wird und der Eischnee  untergehoben wird.
Auch wenn das nicht meiner eigenen Vorgehensweise der Eismacherei entspricht, so findet man auch heute gleichartige Rezepte auf den gängigen Kochrezept-Plattformen im Internet.

Ehrlich gesagt bin ich wirklich überrascht, dass damals schon so viel über die Eismacherei in einem mehr oder weniger "normalen" Kochbuch drin stand, wobei ich nun natürlich nicht nachvollziehen kann wie weit verbreitet dieses Werk war.
Einige Rezepte werde ich mir sicherlich demnächst noch genauer anschauen. Beispielsweise das für ein Maroneneis. Immerhin steht der Herbst vor der Tür.

Blogparade: Kochbuchpatenschaft
Während einer zusätzlichen Recherche im Internet bin ich zudem noch auf eine sehr schöne Seite gestoßen, die die Eismacherei ganz wunderbar beschreibt und vor allem auf die Anfänge im 18. Jahrhundert eingeht. Dazu gehört auch ein Filmchen, in dem ein Eis nach der historischen Vorgehensweise hergestellt wird. Wer also noch etwas mehr Interesse in dieser Richtung hat, dem würde ich diese Seite dringend empfehlen:
History.org - Some Cold, Hard Historical Facts about Good Old Ice Cream (Englisch)


Daten zum Buch:
Titel: Großes Illustriertes Kochbuch
Verlag: Salzwasser Verlag
Erschienen: 2012
ISBN: 978-3-86444-295-7
Preis: 99,90€

Detailseite des Verlags